Endometriose:
Nicht allein sein mit dem Schmerz
Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Verursacht durch Zellen, die sich außerhalb der Gebärmutter ansiedeln. Für viele Betroffene kommen zu den starken körperlichen Schmerzen auch psychische Belastungen hinzu. Um Unsicherheiten zu begegnen, sind Wissen und Aufklärung wichtig – auch für das private und berufliche Umfeld.
Woher kommt dieser Schmerz? Unterleibskrämpfe, stechende Rücken- und Kopfschmerzen. Und das wiederkehrend. Jeden Monat neu während der Periode. Die naheliegende Antwort: Menstrutationsbeschwerden. Da dürfe man sich nicht so anstellen. Da müsse man eben durch. Durchhalteparolen, die schnell gegeben sind. Von Betroffenen selbst und ihrem Umfeld. Die aber selten helfen. Schon gar nicht, wenn die tatsächliche Diagnose Endometriose heißt.
Das ist Endometriose
Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Die Krankheit tritt meist zwischen Pubertät und Menopause auf. Ursache und Auslöser für die häufig starken Schmerzen sind Zellen, die der Gebärmutterschleimhaut ähneln, sich jedoch außerhalb von ihr ansiedeln. Diese sogenannten Endometriose-Herde wachsen im Laufe des Zyklus an und lösen sich unter Blutungen ab. Das Problem: Der Körper kann das Endometriose-Gewebe nicht durch die Regelblutung abbauen, sondern nur sehr langsam. Dadurch können Gewebereste verkleben und Entzündungen entstehen – an unterschiedlichen Orten im Körper.
Schmerzen an verschiedenen Orten im Körper
Endometriose-Herde an Darm oder Harnblase können zu Schmerzen während des Stuhlgangs oder Wasserlassens führen. Befinden sich die Gewebe-Ablagerungen an der Scheide, der Gebärmutter oder der Blase, kann dies zu Schmerzen während und nach dem Geschlechtsverkehr führen. Zudem können Endometriose-Herde an den Fortpflanzungsorganen verhindern, dass die Eizelle überhaupt in die Gebärmutter gelangt. Bis zu 50 Prozent der Endometriose-Betroffenen haben Schwierigkeiten, schwanger zu werden. In einigen Fällen stoßen Ärztinnen und Ärzte auch erst zufällig auf die Krankheit, wenn sie beispielsweise die Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit untersuchen. Die komplizierte Diagnose und die vielfältige Ausprägung der Krankheit sind Gründe, warum im Schnitt rund sechs Jahre vergehen, bis Patientinnen tatsächlich die Diagnose Endometriose erhalten.
Auch die Seele leidet: Fragen und Zweifel als zusätzliche Belastungen
Das bedeutet für viele Betroffenen eine mehrjährige Leidenszeit – voll wiederkehrender Schmerzen im Alltag, ohne deren tatsächliche Ursache zu kennen. Zur körperlichen Belastung kommt die psychische. Häufig verbunden mit quälenden Fragen, die Körpergefühl und Selbstbewusstsein zusätzlich belasten. Wie kann ich mit diesen Schmerzen zur Arbeit gehen? Was denken Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mich schon wieder krankmelde? Ist mein persönliches Schmerzempfinden zu groß? Bin ich damit allein?
„Wird viel zu wenig über Endometriose gesprochen“
Die klare Antwort: Nein. Zwar existieren keine genauen Zahlen, wie viele Frauen an Endometriose leiden. Schätzungen gehen derzeit von rund zwei Millionen Betroffenen in Deutschland aus. Rund 40.000 Neuerkrankungen kommen pro Jahr hinzu. Allein der Fakt – nicht allein zu sein – kann ein erster Hoffnungsanker sein. Für Nastasia S., Mitarbeiterin der KKH und selbst von Endometriose betroffen, braucht es zudem eine bessere gesellschaftliche Aufklärung und die Enttabuisierung des Themas – wie sie im Interview verrät: „Ich finde, es wird noch immer viel zu wenig über Endometriose gesprochen.“
Durch Wissen Akzeptanz schaffen – bei Frauen und Männern
Und leider auch zu oft in unangemessener Weise: „Fragen nach einem Kinderwunsch, aber auch das Verharmlosen der Schmerzen können sehr verletzend sein“, sagt Nastasia S. Um grenzüberschreitende Fragen und Aussagen zu vermeiden, empfiehlt sie, sich umfassend über das Thema zu informieren. Sie selbst versuche dabei durch einen offenen Umgang, Menschen aufzuklären. „Egal, ob in Gesprächen mit Männern oder Frauen, bin ich mittlerweile offen für Fragen. Denn nur durch Wissen können Verständnis und Akzeptanz geschaffen werden.“
Vorbild Asien: Flexibleres Arbeiten durch Menstruationsurlaub
Akzeptanz, die dringend notwendig ist. Gerade auch mit Blick auf die Arbeitswelt. 94 Prozent der von Endometriose betroffenen Frauen geben an, aufgrund ihrer Krankheit weniger leistungsfähig zu sein. Das ergab eine Umfrage der Endometriose-Vereinigung Deutschland unter 2.500 Befragten. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit könnte hier eine wirkliche Hilfe sein. „In einigen Ländern gibt es bereits Menstruationsurlaub. Das wäre eine tolle Option, um den Druck der Arbeitswelt gerecht zu werden“, sagt Nastasia S. So haben Frauen in Japan bereits seit 1974 das Recht, während ihrer Periode nicht arbeiten zu müssen, wenn sie sich dazu nicht in der Lage fühlen. Südkoreanerinnen erhalten eine Ausgleichszahlung für Menstruationsurlaub, den sie nicht einlösen. In Deutschland testen bislang nur einige Start-ups Modelle, Frauen während ihrer Periode flexibleres Arbeiten zu ermöglichen
Das können Betroffene tun
Darauf zu warten, bis solche flexibleren Arbeitsmodelle auch hierzulande etabliert sind, ist für die meisten betroffenen Frauen keine Option. Doch was können Sie konkret tun? Bei Menstruationsbeschwerden, die über ein „verträgliches“ Maß hinausgehen oder sich nur durch Schmerzmittel aushalten lassen, sollten sie unbedingt das Gespräch mit ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt suchen. Und darin ihre individuelle Situation und die Art ihrer Beschwerden möglichst umfassend schildern. Anschließend folgt eine gründliche Anamnese und eine umfassende Untersuchung. Übrigens: Ein mögliches Resultat daraus kann auch die Überweisung in ein spezialisiertes Endometriose-Zentrum sein. Zur sicheren Diagnose werden dann im nächsten Schritt häufig eine Bauchspiegelung durchgeführt, Gewebeproben entnommen und – falls vorhanden – mögliche Endometriose-Herde entfernt.
Letztlich hängt die tatsächliche Behandlung stark von den persönlichen Lebensumständen ab. Besteht ein Kinderwunsch – oder ist die Familienplanung bereits abgeschlossen? Anschließend lassen sich gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt individuelle Behandlungsoptionen erarbeiten.
Zusätzliche Behandlungsoptionen können beispielsweise eine Hormontherapie oder eine medikamentöse Schmerztherapie sein. Auch Sport und gesunde Ernährung können einen positiven Einfluss haben und die Beschwerden bei Endometriose lindern.
Effektive Soforthilfen für die Betroffenen dürften aber in jedem Fall Verständnis und Unterstützung sein. Im persönlichen Umfeld ebenso wie im beruflichen. Dafür braucht es eine gesamtgesellschaftliche Enttabuisierung des Themas. Sie heilt zwar nicht die Schmerzen der Endometriose. Aber kann negative Begleiterscheinungen wie Selbstzweifel oder Ängste lindern. Ein wichtiger Schritt: „Denn keine Frau, die aufgrund ihrer Periode starke Beschwerden hat, hat sich das ausgesucht oder gar eine Wahl“, sagt Nastasia S. Im Unterschied zu allen anderen, die über den Umgang mit der Krankheit Endometriose frei entscheiden können.
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