5 Mythen zu Nahrungsergänzungsmitteln im Check
Diese Fakten sollten Sie kennen
Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt. 241 Millionen Packungen der Kapseln, Pulver oder Tabletten haben die Hersteller 2022 verkauft. Und damit laut Lebensmittelverband einen Gesamtumsatz von 1,8 Milliarden Euro erzielt. Gerade jetzt in der Erkältungszeit besonders beliebt: Vitamin-D-Kapseln zur Stärkung des Immunsystems. So manches Produkt wirbt damit, gleichzeitig noch für gesunde Knochen, Muskeln und seelische Gesundheit zu sorgen. Was will man mehr?
Warum Vitamin-D-Präparate gerade im Winter Hochsaison haben:
Nur rund 10 bis 20 Prozent des Tagesbedarfs von Vitamin D werden über die Nahrung aufgenommen. Den Großteil des „Sonnenvitamins“ bildet unser Körper, wenn die Haut mit UVB-Strahlen in Kontakt kommt. Diese sind im Winter deutlich schwieriger zu bekommen, da die Sonne normalerweise weniger intensiv scheint. Muss daher zwangsläufig ein Vitamin-D-Supplement her? Nach wie vor ist die Wirkung von Vitamin-D-Präparaten umstritten. Auf Verdacht sollten sie nicht eingenommen werden, sondern nur nach ärztlicher Absprache.
Doch auch abseits von nasskalten Wintertagen greifen immer mehr Menschen zu den vielversprechenden Alleskönnern. Ob Aloe-Vera-Creme oder Kollagen-Pulver für gesunde Haut. Kreatin für schnelles Muskelwachstum. Oder den Rundum-Sorglos-Botanical-Drink für… – ja wofür eigentlich? Laut Packungsbeilage zur Erhaltung des normalen Bindegewebes, normaler Knochen und der normalen Herzfunktion. Also für alles irgendwie. Letztlich auch egal. Schließlich kann die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nicht schaden – oder etwa doch?
Da mittlerweile mindestens so viele unterschiedliche Behauptungen zu Nahrungsergänzungsmitteln kursieren wie Produkte selbst, schauen wir uns fünf gängige Mythen genauer an.
Mythos 1: Nahrungsergänzungsmittel sind Medikamente „light“
Nein. Nahrungsergänzungsmittel zählen zu den Lebensmitteln und sind frei erhältlich in Drogerien- und Supermärkten. Wie der Name schon sagt, können sie die Nahrung ergänzen. Heilende Wirkung dürfen sie hingegen nicht haben und auch nicht von sich behaupten. Daher sind gesundheitsbezogene Aussagen verboten – wie „schützt vor Viren“, „stärkt die Knochen“ oder „verbessert die Sehkraft“. Im Gegensatz zu Medikamenten fallen Nahrungsergänzungsmittel nicht unter das Arzneimittelgesetz. Ihre Zusammensetzung wird somit auch weniger streng kontrolliert. Ebenso wenig wie ihre Zulassung. Für Nahrungsergänzungsmittel existiert kein geregeltes Zulassungsverfahren durch eine spezielle Behörde. Jedes neue Produkt braucht „lediglich“ beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gemeldet werden. Und darf anschließend frei verkauft werden. Welche gesundheitlichen Folgen die Produkte haben, liegt damit fast ausschließlich in der Verantwortung der Hersteller. Eine systematische Überprüfung der Produkte vor dem Markteintritt gibt es nicht. Ein weiterer entscheidender Unterschied: Zur Wirkung und dem tatsächlichen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln gibt es nur wenig verfügbare Studien.
Mythos 2: Nahrungsergänzungsmittel sind unbedenklich, sonst bräuchte man ein Rezept
Dass Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich sind, heißt nicht, dass ihre Einnahme unbedenklich ist. Denn: Es existieren beispielsweise keine festgelegten Höchstmengen für die enthaltenen Vitamine und Nährstoffe. Das staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung
gibt lediglich Empfehlungen. Bindend sind diese jedoch nicht. So besitzen viele Nahrungsergänzungsmittel eine zu hohe Dosierung. Das kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. So kann die regelmäßige Einnahme von überdosierten Vitamin-D-Produkten Gefäßverkalkungen oder Nierensteine begünstigen. Zu viel Vitamin E kann hingegen zu erhöhtem Risiko für Herzerkrankungen führen. Sind beispielsweise Kurkuma-Produkte zu hoch dosiert und enthalten zu viel Curcumin und Piperin, kann dies schädlich für die Leber sein. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Eine zu hohe Dosierung ist einer der häufigsten Kritikpunkte gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln.
Mythos 3: Was auf der Packung steht, stimmt
Richtig ist: Grundsätzlich müssen alle Behauptungen einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten. Das hat die Europäische Union (EU) mit der sogenannten „Health-Claim-Verordnung“ festgelegt. Schon 2006 wollte sie etwas gegen die ausufernde Vielfalt der „Versprechungen“ tun. Bis zu einem Stichtag gab sie den Herstellern Zeit, ihre gewünschten gesundheitsbezogenen Behauptungen einzureichen. Die EU ließ sie durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wissenschaftlich prüfen. Und veröffentlichte daraufhin 2012 eine Positivliste, die alle bestätigten und somit zulässigen Aussagen enthält. Sie wird laufend erweitert, gilt für alle Lebensmittel – und damit auch für Nahrungsergänzungsmittel. Erlaubt sind seither zum Beispiel Aussagen wie das im Produkt enthaltene Vitamin C „trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei.“ Doch es wird dennoch getrickst: Um erlaubte Aussagen verwenden zu können, fügen Hersteller ihren Präparaten beispielsweise Vitamine hinzu, für die bestimmte Werbeaussagen erlaubt sind.
Es bleibt also dabei: Besonders vollmundige Versprechungen sind mit Vorsicht zu genießen.
Mythos 4: Mein Arzt oder meine Ärztin braucht von der Einnahme nichts zu wissen
Es ist Ihre eigene Entscheidung, ob Sie Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin erzählen, welche Nahrungsergänzungsmittel sie einnehmen. Sinnvoll wäre es hingegen schon. Denn nur im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt lässt sich verlässlich herausfinden, ob eventuell unerwünschte und bisweilen gefährliche Wechselwirkungen entstehen – beispielsweise zwischen einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln. So sollten Sie ein Präparat gegen Eisenmangel nicht zusammen mit Kaffee einnehmen, da dieser die Aufnahme hemmt. Auch Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel können sich negativ beeinflussen – wie Produkte mit Goji-Beeren und Blutverdünner. Oder Kalzium-Präparate, die die Wirkung von Antibiotika hemmen. Die bessere Strategie wäre also: Im ersten Schritt gemeinsam mit Arzt oder Ärztin herauszufinden, ob ein Mangel vorliegt – beispielsweise mit einem Bluttest. Und dann die passenden Maßnahmen zu ergreifen. Etwa die gezielte Einnahme eines bestimmten Nährstoffs. Mit gesicherten Informationen zu möglichen Neben- oder Wechselwirkungen.
Mythos 5: Ohne Nahrungsergänzungsmittel geht es nicht
Zumindest für die meisten Bewohnerinnen und Bewohner in Deutschland, stimmt diese Aussage nicht. Denn wer sich hierzulande ausgewogen ernährt, führt seinem Körper die meisten der benötigten Inhaltsstoffe automatisch in ausreichendem Maß zu. Das heißt: Ausreichend frisches Obst, Gemüse, Ballaststoffe sind im Normalfall die bessere Wahl. Doch es gibt auch Ausnahmen: Für bestimmte Personengruppen wie Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere oder Menschen mit chronischen Erkrankungen kann es sinnvoll sein, ihre ausgewogene Ernährung gezielt durch Vitamine und Mineralstoffe zu ergänzen. Gleiches gilt unter Umständen für Menschen, die vegan leben. Doch wie gelingt es, sich so zu ernähren, dass Nahrungsergänzungsmittel bestenfalls überflüssig sind? Die KKH hat eigens für eine vollwertige und ausgewogene Ernährung den Online-ErnährungsCoach entwickelt. Das Programm vermittelt gezielt Informationen und hilft, die eigenen Ernährungsgewohnheiten kritisch zu hinterfragen und zu verbessern. Die Teilnahme ist für Versicherte der KKH kostenlos. Um teilzunehmen, loggen sie sich ganz einfach in „Meine KKH" ein und wählen dort den Online-ErnährungsCoach aus.
Fazit: Bei Nahrungsergänzungsmitteln sollte die Devise gelten: Weniger ist mehr. Nur wenn ein tatsächlicher Mangel vorliegt, können sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine ausgewogene Ernährung ergänzen – idealerweise nach ärztlicher Absprache. Denn: Liegt kein Mangel vor, sind Nahrungsergänzungsmittel zumeist bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls aber schädlich.
Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Überblicksseite zu Nahrungsergänzungsmitteln.
Noch nicht gefunden, wonach Sie suchen?