Die Arbeitswelt ein bisschen besser machen
Sina Trinkwalder ist Unternehmerin und hat während der Pandemie gleich noch eine Firma gegründet. Ihr Motto: Das größte Risiko ist, nichts zu riskieren. Dabei baut sie auf ihre engagierten Mitarbeitenden.
Wir können die Welt nicht verändern, aber jeden Tag ein bisschen besser machen – das ist das Credo von Sina Trinkwalder. Vor mehr als zehn Jahren gründete die gebürtige Augsburgerin und Wahlhamburgerin das Textilunternehmen Manomama, das in Deutschland produziert – sozial und nachhaltig. In Augsburg fertigen rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mode aus eigenen Kollektionen. Es sind vor allem Menschen, die auf dem klassischen Arbeitsmarkt wenige Chancen haben. Mehrfach wurde Manomama für dieses Engagement schon ausgezeichnet. Im Interview erzählt uns Sina Trinkwalder, welche Werte ihr wichtig sind und wie sie und ihre Mitarbeitenden die Pandemie erlebt haben.
Frau Trinkwalder, im Februar und März 2020 haben Sie sofort reagiert und in Ihrer Schneiderei Masken für Kliniken und Pflegeheime nähen lassen. Wie haben Sie das so schnell geschafft?
Wir haben selbst genäht und nicht nähen lassen. Ließen Sie nähen, würden Sie die Menschen nicht mitnehmen, sondern etwas von oben anordnen. Wenn Sie aber sagen „Ladies and Gentlemen, kommt, lasst uns Masken nähen. Sie werden wirklich gebraucht", dann geht das ruckzuck. Meine Mitarbeitenden, die erst mit ihrer Arbeit bei uns wieder richtig in der Gesellschaft angekommen sind, konnten so auch etwas zurückgeben. Sie haben die Nadeln glühen lassen und wurden dafür richtig gefeiert. Nach einem halben Jahr war es mit dem Hype vorbei, aber das ist ganz normal.
Konnten Sie sich die positive Stimmung erhalten?
Ja, klar! Nach sechs Monaten Maskennähen haben wir uns überlegt: Was können wir am besten aus dieser Zeit machen? Wir haben uns kreative Freiheiten geschaffen, um zu tüfteln und gegen die Monotonie der Pandemie anzukommen.
Ob bei der Arbeit oder im Privatleben – wir haben uns alle stark belastet gefühlt. Wie haben Sie Ihre Mitarbeitenden in dieser Zeit unterstützt?
Nicht anders als vorher. Ich bin immer für sie da, egal ob es privat oder geschäftlich zwickt. Aber mal ganz ehrlich: So schlimm, wie wir uns alle gefühlt haben, ging es uns doch gar nicht. Die Allermeisten hatten und haben ein Dach über dem Kopf und sind gesund. Dass wir uns individuell in unserer Freiheit zurücknehmen mussten, habe ich nicht als Belastung empfunden, es war unsere Pflicht. Und das Schöne ist: Wenn Sie das vorleben, dann übernehmen auch Ihre Kolleginnen und Kollegen dieses Mindset.
Unterscheidet Sie diese wertschätzende Sichtweise von anderen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern?
Ich mag das Wort Arbeitgeberin nicht. Ich bin Arbeitskraftnehmerin. Wenn der Chef erst nach 25 Jahren seine Wertschätzung mit einem Obstkorb ausdrückt, liegt etwas im Argen.
Wir bei Manomama treffen uns auch nach der Arbeit, unternehmen was zusammen. Ich glaube aber, was der Mensch am meisten braucht, sind Sicherheit, Normalität und Routine.
Was ist im Corona-Jahr 2020 gut gelaufen?
Dass die Gesellschaft in weiten Teilen so vernünftig war. Und auch immer noch ist. Bis auf zehn Prozent haben sich die meisten doch zurückgenommen, und diese zehn Prozent müssen wir aushalten.
Worauf blicken Sie kritisch zurück?
Auf die Politik. Letztendlich mündete alles in der Eigenverantwortung der Bürger. Und auch da haben wir versagt, das muss man einfach zugeben. Eigenverantwortung funktioniert leider nicht immer, weil jeder sich dann doch selbst der Nächste ist.
Als soziale Unternehmerin geben Sie Menschen eine Chance, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Ein Modell für die Zukunft?
Ich möchte nicht von Zukunftsmodell sprechen. Es ist unsere Pflicht als Unternehmen, jedem Menschen die Chance zu geben, an der Gesellschaft teilzuhaben, indem er sich selbst einbringt. Ich halte Hartz IV für unmenschlich, denn es verhindert soziale Teilhabe und fordert Vereinsamung. Beides schlägt auf die Gesundheit.
Die Gesundheit der Belegschaft ist ein hohes Gut. Bieten Sie besondere Gesundheitsprogramme an?
Manomama hat einen sehr hohen Krankenstand. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen bringen Probleme mit, die ihnen zuvor den Eintritt ins Berufsleben schlichtweg verwehrt haben. Wer stellt schon einen schwer Geschädigten ein, der mal Krebs hatte? Es ist völlig normal, dass ein Mensch mit einer langen Krankengeschichte nicht sofort auf 100 Prozent gehen kann, vielleicht sogar nie wieder. Ich komme damit gut klar und sehe es so: Wenn du mal einen Tag verschnaufen musst, ist das okay. Solange wir das in der Gemeinschaft tragen können, sowieso. Aber jeder muss sich auch selbst für seine Gesundheit engagieren.
Sie haben Ihr Unternehmen gegründet, als die Krise nach der Bankenpleite 2008 noch nicht ganz ausgestanden war. Würden Sie es heute wieder tun?
Ich habe kürzlich sogar eine weitere Firma gegründet! Jede Krise ist auch eine Chance. Das größte Risiko, das man eingehen kann, ist, nichts zu riskieren. Stillstand ist katastrophal. Wenn Sie während einer Krise gründen, können Sie schon mal keine Krise mehr kriegen. Scheitern Sie dann, können Sie immer noch sagen: „Na ja, die Sterne standen halt schlecht.“
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