Kein Allheilmittel: Erhalten Kinder noch zu oft Antibiotika?
KKH-Apotheker: „Weniger ist mehr“ – Eltern sollten Therapie-Nutzen erfragen
Hannover, 09.12.2025
Wenn Kinder stundenlang wegen Ohrenschmerzen wimmern, sie Fieberschübe und Hustenanfälle quälen, erhoffen sich manche Eltern, dass dem Nachwuchs Antibiotika verordnet werden. Denn bekanntlich helfen sie schnell und das bei kurzer Einnahmezeit. Doch nicht immer sind diese Medikamente medizinisch sinnvoll. „Insgesamt werden Antibiotika inzwischen erfreulicherweise zurückhaltender und gezielter verschrieben“, sagt Sven Seißelberg, Apotheker bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse. Doch laut Daten der bundesweiten Kasse ist der Anteil von Kindern und Jugendlichen, denen Antibiotika verordnet wurden, von 2019 auf 2024 um 12,3 Prozent gestiegen. Damit wurden im vergangenen Jahr jedem vierten heranwachsenden Mädchen und Jungen bis 18 Jahre antibiotische Präparate verschrieben (25,3 Prozent).
Gezielt eingesetzt können Antibiotika lebensbedrohliche Infektionen bekämpfen, vorausgesetzt sie werden durch Bakterien verursacht. Gegen Viren, die beispielsweise Erkältungskrankheiten wie Grippe oder Covid-19 auslösen, sind sie wirkungslos. „Jahrzehnte wurden diese Medikamente sorglos verschrieben und von zu vielen Menschen zu oft und zu lange eingenommen“, erklärt Sven Seißelberg. Hinzu kommt deren Einsatz in der Tiermedizin und Tierzucht. „In der Folge haben sich immer mehr Keime entwickelt, die gegen zugelassene antibiotische Wirkstoffe resistent sind. Viele Mittel wirken einfach nicht mehr.“ Laut Robert Koch-Institut nehmen Antibiotikaresistenzen weltweit zu und sind eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit unserer Zeit. Insbesondere bei Kindern sollten die Arzneimittel daher nur in begründeten Fällen eingesetzt werden. Damit lässt sich das Risiko verringern, dass Antibiotika bei einer bakteriell bedingten lebensbedrohlichen Infektion versagen. „Kritisch kann eine häufige Therapie mit Antibiotika zudem in den ersten beiden Lebensjahren sein“, warnt Sven Seißelberg. „Denn sie kann laut Studien entzündliche Darmerkrankungen, Asthma sowie Übergewicht in späteren Jahren begünstigen.“
Ist bei Kindern die gezielte Einnahme von Antibiotika erforderlich, gilt: so kurz und so wenig wie möglich, aber immer so wie von Ärztin oder Arzt verordnet – vorausgesetzt es liegen keine schweren Grunderkrankungen vor. Denn die Wirkstoffe können die Darmflora angreifen und Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall hervorrufen. Auch allergische Reaktionen der Haut können auftreten, bei Mädchen ferner Scheideninfektionen. „In jedem Fall sollten Eltern in der Kinder- und Jugendarztpraxis nachfragen, ob Antibiotika wirklich erforderlich sind und warum“, rät der KKH-Apotheker. „Falls notwendig sollte die Einnahme von Säften oder Tabletten in Bezug auf Dauer und Dosis genau nach Vorschrift erfolgen. Und auch wenn sich ihr Kind schon besser fühlt, ist die Medikamentengabe keinesfalls vorzeitig abzubrechen. Nur dann können Antibiotika ihre volle Wirkung entfalten, den Bakterien erfolgreich zu Leibe rücken und deren erneutes Aufkeimen verhindern.“ Sollte sich trotz einer Antibiotikatherapie der Gesundheitszustand des Kindes auch nach 48 Stunden nicht bessern, ist die behandelnde Arztpraxis erneut aufzusuchen.
Hintergrundinformationen
Die KKH hat anonymisierte Daten von Versicherten zwischen sechs und 18 Jahren erhoben, denen 2019 und 2024 Antibiotika verordnet worden sind. Im Jahr 2024 betraf dies mehr als 59.000 Mädchen und Jungen und damit 25,3 Prozent aller versicherten Heranwachsenden bis 18 Jahre. Mit rund 1,5 Millionen Versicherten, einem Haushaltsvolumen von rund 8,2 Milliarden Euro und rund 4.000 Mitarbeitenden zählt die KKH Kaufmännische Krankenkasse als eine der größten bundesweiten Krankenkassen zu den leistungsstarken Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung. Nähere Informationen erhalten Sie unter kkh.de/presse/portraet.
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