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Skin Hunger
Warum wir Berührung und Nähe brauchen
Abschalten vom Alltag. Allein erholen in der einsamen Berghütte, weit weg vom Trubel. Das sind für viele Menschen wichtige Zutaten eines erholsamen Sommerurlaubs. Sie brauchen die Ruhe, um ihre Akkus vom stressigen Alltag aufzuladen. Zeit für sich zu haben, ist jedoch nur eine Zutat unseres Wohlbefindens. Eine andere, mindestens genauso wichtige, sind soziale Kontakte. Daher beginnen viele Reisende schon vor der Rückkehr damit, das nächste Treffen mit Freunden zu planen. Der Wunsch ist groß, sie endlich wieder in die Arme zu schließen, zusammenzusitzen und sich gemeinsam über das Erlebte auszutauschen.
Der Grund ist ganz einfach: Wir brauchen Umarmungen und Berührungen. Egal ob im Rahmen von Freund- oder Partnerschaften. Die Sehnsucht danach nennt sich „Skin Hunger“, also etwas holprig übersetzt – und sinnbildlich gemeint – „Hunger nach Haut“. Wir wünschen uns Körperkontakt. Er tut uns und unserer Gesundheit einfach gut.
Berührungen sind überlebenswichtig
Dieser Wunsch nach angenehmem Körperkontakt mit vertrauten Menschen ist angeboren. Zu Beginn unseres Lebens sind Berührungen besonders wichtig – Säuglinge könnten ohne sie kaum überleben. Sie brauchen Streicheleinheiten der Eltern genauso wie genügend Nahrung und Schlaf. Doch auch ältere Kinder und Erwachsene, die zu wenig Berührungen erfahren, können darunter leiden. Aus einem einfachen Grund: Bei Berührungen, Umarmungen und Kuscheleinheiten wird das Glückshormon Oxytocin freigesetzt. Es senkt den Blutdruck, reduziert Stress und Angst. Demnach ergibt es durchaus Sinn, dass Menschen in bestimmten Situationen, die ihnen Angst machen, die Hand einer anderen Person halten möchten – sei es im Flugzeug oder bei einem spannenden Film auf dem Sofa.
Fehlen Umarmungen & Co. über einen längeren Zeitraum, wird davon ausgegangen, dass dies negative gesundheitliche Folgen hat und Depressionen sowie Ängste begünstigen oder verstärken kann. So belegen Studien, dass Menschen mit „Skin Hunger“ häufiger an Angststörungen und Depressionen leiden. Weitere mögliche Folgen können gefühlte Einsamkeit und Isolation sein.
„Skin Hunger“ wissenschaftlich und medizinisch schwer messbar
Allerdings lassen sich die tatsächlichen Folgen von „Skin Hunger“ nur schwer wissenschaftlich messen. Denn das Thema Berührung isoliert zu betrachten, ist kaum möglich. Eine Umarmung mit Freunden ist auch immer Interaktion und Kommunikation. Die Botschaft: Wir mögen uns. Du gehörst zur Gruppe dazu, bist nicht allein. Das gibt ein gutes Gefühl. Wer über einen längeren Zeitraum auf Berührungen verzichten muss, sehnt sich also einerseits vielleicht genau nach dieser körperlichen Nähe. Aber vielleicht auch nach der Interaktion und Kommunikation mit vertrauten Menschen.
Die zwei Dimensionen von Berührungen
Daher hat die positive Wirkung von Berührungen immer zwei Dimensionen – die physiologische und die psychologische. Rein körperlich betrachtet können wir den Rezeptoren unter unserer Hautoberfläche auch selbst etwas Gutes tun. Es fühlt sich für die meisten gut an, wenn sie sich über den Unterarm streichen oder die Füße massieren. Oder mit den Fingern Schultern und Nacken abklopfen. Die psychologische Komponente ist hingegen stark geprägt von einem Gegenüber – etwa Freunden oder der Familie. Haben wir regelmäßig Kontakt zu ihnen, hilft das, sich nicht einsam zu fühlen.
Alltägliche Berührungen: Vom Händeschütteln bis zu Kuschel-Cafés
Auch im Alltag sind körperliche Berührungen fest verankert. Wir geben uns die Hand, um uns freundlich zu begrüßen. Früher wurde dadurch gezeigt, dass man keine Waffe trägt. Das folgende Händeschütteln sorgte dann für Klarheit, dass auch im Ärmel des Gegenübers nichts Bedrohliches versteckt war. Eine vertrauensbildende und friedliche Geste – bis heute. Doch nicht überall ist die Begrüßung mit Körperkontakt und Händedruck verbunden: In Japan verbeugt man sich stattdessen voreinander. Die fehlenden Berührungen bei der Begrüßung lassen sich in Japan an anderer Stelle nachholen. In speziellen Kuschel-Cafés können Besucherinnen und Besucher gegen Bezahlung auf Zeit körperliche Nähe wie Umarmungen kaufen. Auch in Kanada und den USA gibt es mittlerweile ähnliche Cafés. Wer lieber mit Katzen schmusen möchte, kann dies in speziellen Katzencafés tun, die es mittlerweile auch in zahlreichen deutschen Städten wie Berlin, Hamburg oder Leipzig gibt. Berührungen mit Kaffeeduft – warum nicht?
Corona – der Gipfel der Berührungsabstinenz
An den für die meisten so wichtigen Alltags-Berührungen führt normalerweise kein Weg vorbei. Eine Ausnahme war mit Sicherheit die Zeit der Corona-Pandemie: Hier war Abstand das Gebot der Zeit. Und damit verbunden die starke Beschränkung sozialer Kontakte – inklusive alltäglicher Berührungen. Weltweiter „Skin Hunger“ verursacht durch einen Virus. Viele negative Auswirkungen werden mit dieser Zeit in Verbindung gebracht und bis heute wissenschaftlich untersucht – insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Für einige Expertinnen und Experten hat diese lange berührungsarme Zeit noch etwas anderes gezeigt: Da viele Berührungen zwangsläufig wegfielen, sei bei vielen Menschen das Bewusstsein gestiegen, wie wichtig für sie alltäglicher Körperkontakt ist.
Untrennbar verknüpft: Berührungen und soziale Beziehungen
Ganz egal, ob in Partnerschaften, Freundschaften oder Familie – die wenigsten können oder möchten auf Berührungen verzichten. Auch wenn der Berührungsbedarf immer individuell ist: Ein kurzes Händeschütteln, eine minutenlange Umarmung – jeder Mensch hat sein eigenes Nähe- und Zeitempfinden. Wie schnell aus einem „angenehm“ ein „zu viel“ werden kann, weiß, wer sich bereits einmal im Klammergriff einer passionierten Huggerin oder eines begeisterten Huggers befunden hat.
Generell sind enge und glückliche soziale Beziehungen eine wichtige Voraussetzung für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Und zwar in allen Lebensphasen – von der Sandkastenfreundschaft bis zur neuen Bekannten im Seniorenheim. Das zeigt auch die Langzeitstudie der Harvard University, die mehr als 2.000 Menschen aus drei Generationen seit 1938 begleitet. Demnach hängt der Gesundheitszustand im Alter mit der Zahl der zwischenmenschlichen Beziehungen zusammen. Sind wir glücklich in unseren Beziehungen, kann das einen starken positiven Effekt für unsere Gesundheit haben. Auf der anderen Seite kann Einsamkeit die Gesundheit negativ beeinflussen.
Damit „Skin Hunger“ erst gar nicht entsteht
Wie wichtig soziale Beziehungen sind, zeigt auch ein Konzept, das in Großbritannien bereits seit Jahren erfolgreich angewendet wird. Beim „Social Prescribing“, der „Verschreibung“ sozialer Kontakte, wird die medizinische Behandlung bei ausbleibenden Heilungserfolg durch passende Aktivitäten wie Kunstkurse oder Wanderangebote ergänzt. Soziale Kontakte als Genesungs-Booster, ein Konzept, das auch in Deutschland immer mehr Anhänger findet.
Doch was ist nun das beste Rezept, um aufkommenden „Skin Hunger“ zu stillen? Vielleicht schon direkt aus dem Urlaub mit der besten Freundin oder dem besten Freund das nächste Treffen zu vereinbaren. Und dazu noch die eigenen Prioritäten so zu gestalten, dass im Alltag regelmäßig genug Raum für die Umarmung einer vertrauten Person bleibt. Dem Berührungsmangel rechtzeitig vorbeugen. Damit im besten Fall „Skin Hunger“ erst gar nicht entsteht.
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