Psyche und Darm – ein komplexes Zusammenspiel
Schon wieder Darmgesundheit? Gab es dazu nicht kürzlich erst einen Artikel? Stimmt! Vielleicht haben Sie ihn gelesen zum Thema Mikrobiom und Probiotika. Da Darmgesundheit jedoch so viel mehr ist, blicken wir in unserem heutigen Fokus-Beitrag auf einen weiteren zentralen Aspekt: das komplexe Zusammenspiel von Darm und Psyche.
Kein eingebildeter Zusammenhang, sondern untrennbar verknüpft
Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt eine enge und untrennbare Verbindung von Darm und Psyche – und zwar in vielerlei Hinsicht. Das bedeutet aber nicht, dass sich Betroffene Beschwerden wie Durchfall oder Blähungen einbilden. Das Gegenteil stimmt in den meisten Fällen. Darm und Psyche lassen sich nicht getrennt voneinander betrachten. Die Psyche beeinflusst den Darm – und der Darm die Psyche. Und das hat einen einfachen anatomischen Grund.
Darmgesundheit ist auch Nervensache
Unser gesamter Darm ist von einem feinen Netz aus Nerven umgeben. Nach dem Gehirn das zweitdichteste Netz aus Nervenzellen im Körper. Dieses sogenannte enterische Nervensystem (ENS) koordiniert die Verdauungs- und Verwertungsarbeit. Es kommuniziert mit anliegenden Organen und sorgt in Abstimmung mit dem restlichen Körper dafür, dass Stoffe in den Körper gelangen oder abtransportiert werden, wie es gerade benötigt wird. Das ENS ist Teil des vegetativen Nervensystems, das die Abläufe im Körper steuert, die unbewusst ablaufen – beispielsweise die Atmung oder Stoffwechselvorgänge. Dem gegenüber steht das sogenannte somatische Nervensystem, das bewusste Körperfunktionen reguliert, etwa die gezielte Bewegung unserer Arme.
Stress kann auf den Magen schlagen…
Doch damit nicht genug der Zusammenhänge: Das ENS arbeitet nicht isoliert, sondern ist eingebunden in ein komplexes Zusammenspiel von Gehirn sowie Sympathikus („Spannungsnerv“) und Parasympathikus („Ruhenerv“). Die beiden Gegenspieler regulieren die Körperfunktionen in Ruhephasen und in Stresssituationen – lassen uns „kämpfen oder fliehen“. Ein Beispiel: Haben wir Stress, kann das den Sympathikus triggern, der die Verdauung hemmt. Bauchschmerzen und Verdauungsprobleme können die Folge sein. Entspannen wir uns hingegen bewusst, können wir den Parasympathikus aktivieren und damit auch die Verdauung positiv beeinflussen.
…aber eben auch viele andere innere und äußere Einflüsse
An dieser Stelle ist ganz wichtig zu sagen: Stress ist natürlich nur eine von vielen möglichen Ursachen für anhaltende Darmbeschwerden & Co. Andere Auslöser können beispielsweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten, organische Erkrankungen oder Allergien sein. Das bringt uns zu einem wichtigen Punkt: Ob man psychische oder organische Ursachen für Darmbeschwerden vermutet – eine Beratung und Untersuchung durch Experten und Expertinnen ist immer empfehlenswert. So können mögliche Ursachen systematisch eingegrenzt und frühzeitig zielgerichtete Maßnahmen ergriffen werden.
Vielfältiges Krankheitsbild Reizdarmsyndrom
Wie wichtig es ist, die Zusammenhänge zwischen Darm und Psyche zu berücksichtigen, zeigt sich insbesondere auch beim Thema Reizdarmsyndrom. Mehr als 11 Millionen Menschen in Deutschland (rund 17 Prozent der Bevölkerung) leiden unter dieser Erkrankung, die mit Verdauungsproblemen, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall einhergeht. Organische Schäden können hier nicht festgestellt werden. Forscher gehen davon aus, dass die Beschwerden durch eine gestörte Kommunikation zwischen Körper und Darm entstehen.
Die medizinische Diagnose Reizdarmsyndrom kann gestellt werden, wenn Symptome wie Verdauungsprobleme, Bauchschmerzen oder Verstopfung in typischem Ausmaß und Muster geschildert werden und wenn andere mögliche Ursachen ausgeschlossen werden konnten. Obwohl das Reizdarmsyndrom nicht gefährlich ist und häufig mild verläuft, kann es die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Die Behandlungsmöglichkeiten zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Was genau ein Reizdarmsyndrom auslöst und wie es sich entwickelt wird noch erforscht. Als wahrscheinlichste Ursachen werden derzeit diskutiert:
- Überempfindlichkeit des Darms gegenüber bestimmten Mikroorganismen, Stoffen oder Reizen
- Störungen der Bewegungsmuster des Darms
- Fehlsteuerungen im vegetativen, unbewussten Nervensystem
Über das unbewusste Nervensystem kommt hier auch die Psyche als ein Faktor von vielen mit ins Spiel. Nur was bedeutet es, wenn man immer bei Stress unter Durchfall leidet: Eine normale Körperreaktion oder ein Reizdarmsyndrom? Möglicherweise wird es hier nie eine scharfe Grenze geben. Sowohl für die Diagnose als auch die Therapie entscheidend ist daher, die verschiedenen Einflussfaktoren zu berücksichtigen.
Hilfe durch Ernährungstagebuch und Apps
Die Behandlung des Reizdarmsyndroms richtet sich nach den individuellen Auslösern, Einflussfaktoren und Beschwerden. Deshalb geht es in erster Linie darum herauszufinden: Was tut dem eigenen Darm gut, was nicht? Auch um wieder mehr Dinge mit gutem Gefühl tun zu können, auf die man vorauseilend aus Angst verzichtet. Beschwerden gezielt vorbeugen und Wege finden sie zu lindern – darum geht es. Ein Ernährungstagebuch kann helfen, dem Zusammenspiel aus Symptomen, Ernährung und Psyche auf die Spur zu kommen. Darin wird notiert, wann die Beschwerden auftreten – und wann nicht. Was wurde zuvor gegessen? Und wie waren die Begleitumstände? War es heiß oder kalt? Prägte beispielsweise hoher Stress den Tag, als die Beschwerden auftraten?
Auch Apps können Betroffene unterstützen, die eigenen Beschwerden besser zu verstehen. Einige gibt es sogar zuzahlungsfrei auf Rezept. Digitale Gesundheitsanwendungen wie „Cara Care für Reizdarm“ analysieren die individuellen Symptome und bieten personalisierte Ansätze, um sie zu reduzieren und die eigene Lebensqualität zu verbessern. Zum multimodalen digitalen Ansatz der App zählen beispielsweise Themengebiete wie Ernährung, kognitive Verhaltenstherapie oder Darm-gerichtete Hypnotherapie. So sollen Betroffene ihren ganz persönlichen Weg finden, ihre Symptome zu lindern und besser mit ihnen zu leben.
Wechselbeziehung weiter auf wissenschaftlichem Prüfstand
Die Erforschung des komplexen Zusammenspiels von Psyche und Darm steht trotz immenser Fortschritte immer noch am Anfang. Sicher ist, dass die wechselseitige Verbindung und Kommunikation größeren Einfluss hat als bislang angenommen. So rückt auch im Rahmen der Therapie immer stärker eine ganzheitliche Betrachtung von Beschwerden und Einflussfaktoren in den Fokus.
Ob Darmbeschwerden, chronische Erkrankungen oder Psyche – eine abwechslungsreiche, ausgewogene Ernährung, Bewegung und gesunder Umgang mit Stress sind eine Art Universalschlüssel für körperliches und geistiges Wohlbefinden. Warum diesen „Dietrich“ erst einsetzen, wenn die Beschwerden schon da sind? Unser Darm-Psyche-Duo hat schon vor dem Schmerz mehr Aufmerksamkeit verdient!
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