Vorsorge ab dem ersten Tag: Die elf U-Untersuchungen
08.05.2024 • 7 Minuten Lesedauer
Was erwartet frischgebackene Eltern bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen im Kindesalter? Ein Erfahrungsbericht.
U-Untersuchungen: ein Begriff, der in Gesprächen mit meiner Hebamme schon früh während der Schwangerschaft gefallen ist. Aber was genau verbirgt sich hinter der Kombination von großem U und dem Wort Untersuchung?
Es ist einfach: Wer einmal in die Welt frühkindlicher Gesundheitsvorsorge eingetaucht ist, kürzt den Begriff ein und macht Termine für „U1“ bis „U11“. Das Gelbe Heft, in dem die Ergebnisse dieser Untersuchungen jeweils dokumentiert werden, wird zum ständigen Begleiter.
Der Sinn hinter den Vorsorgeuntersuchungen gibt ihrer Häufigkeit recht: Die elf U-Untersuchungen sind essenzieller Bestandteil der Gesundheitsvorsorge für unsere Kinder und tragen dazu bei, dass sie gesund aufwachsen und sich optimal entwickeln können. Kurz gesagt: U-Untersuchungen sind Präventionsmaßnahmen von Geburt an:
U1: Erfolgt direkt nach der Geburt und umfasst den Apgar-Test: die Kontrolle von Atmung, Puls (Herzschlag), Grundtonus (Muskelspannung), Aussehen (Farbe der Haut) und Reflexen. Das Ziel: Anpassungsschwierigkeiten nach der Geburt des Kindes frühzeitig erkennen. Zum ersten Mal wird der Säugling auch gewogen und gemessen.
Und danach? Baby-Bonding: Meine Erinnerung an das Bild von Vater und Tochter, den ersten Hautkontakt mit allen Sinnen erleben und Momente voller Ruhe und Verblüffung sind auch nach Jahren nicht verblasst.
U2: Erfolgt zwischen dem 3. und 10. Lebenstag in der Geburtsklinik oder der kinderärztlichen Praxis. Hier stehen körperliche Untersuchungen an wie die Kontrolle von Haut, Kopf, Knochen, Muskeln und Nerven, Sinnes-, Brust- und Geschlechtsorganen sowie Reflexen. Das Hörscreening für Neugeborene ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil dieser Untersuchung.
Wichtig: Sofern das Hörscreening nicht in der U2 durchgeführt werden konnte, sollte es in der U3 unbedingt nachgeholt werden. Zugegeben, beim Blick auf die Aufzählung all dieser Untersuchungsinhalte könnte der Eindruck entstehen, dass die U2 gefühlt Stunden dauern muss. Etwa 20 bis 30 Minuten sind dagegen realistisch – und schon ist der zweite große Baby-Check-up geschafft.
U3: Erfolgt zwischen der 4. und 5. Lebenswoche. Via Ultraschall wird die Hüfte des Säuglings untersucht. Der Kinderarzt oder die Kinderärztin nimmt zudem die altersgerechte und körperliche Entwicklung sowie das Hörvermögen des Kindes in den Blick. Zudem kann eine erste Impfberatung erfolgen.
Ernährung und Gewicht sind in dieser Lebensphase nicht nur ein Thema für Medizinerinnen und Mediziner – Trink-, Verdauungs- und Schlafverhalten beschäftigen Familien in dieser Zeit sehr. Was uns als Familie besonders auf Trab gehalten hat? Das sehr unausgewogene Schlaf-Wach-Verhältnis unserer Tochter. Im Abstand von ein bis zwei Stunden meldete sie sich. Während andere Kinder, beim Stillen einfach wieder einschliefen, blieb sie wach und wir damit auch.
Schon gewusst?
Mütter schlafen nach der Schwangerschaft durchschnittlich 40 Minuten weniger. In den ersten drei Monaten sogar bis zu einer Stunde – Väter lediglich 13 Minuten, wie eine Studie der University of Warwick und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2019 zeigte.
U4: Steht zwischen dem 3. und 4. Lebensmonat an. Gewicht, Körper- und Kopfumfang werden gemessen, motorische Entwicklung getestet. Kann das Kind schon den Kopf halten? Organe und das Nervensystem stehen ebenso im Mittelpunkt wie die Ernährung und die Verdauung des Kindes.
Was noch ansteht: eine Impfung mit 6-fach-Kombinationsimpfstoff. Keine Frage, die richtige Entscheidung; und dennoch hat es mich kurz durchzuckt, beim Anblick der Nadel und meiner Tochter.
U5-U7: Und plötzlich sind sechs Monate vergangen
U5: Findet zwischen dem 6. und 7. Lebensmonat statt. Hier wird vor allem die motorische Entwicklung des Kindes überprüft: Greift es gezielt nach etwas, stützt es sich auf den Handflächen in Bauchlage ab und kann es sich schon vom Rücken auf den Bauch drehen?
Die Organe und das Nervensystem werden kontrolliert. Hör- und Sehvermögen stehen ebenso im Mittelpunkt: Reagiert das Kind auf laute Geräusche und Blickkontakt? Schon mal etwas vom Amblyopie-Screening gehört? Vom 5. bis 14. Lebensmonat können mit diesem Test, Sehstörungen bei Säuglingen und Kleinkindern frühzeitig erkannt werden.
Und es geht weiter: Teil dieser U-Untersuchung sind auch eine zahnschonende Ernährung und die Mundhygiene. Ab dem 6. Lebensmonat kann die erste von sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch genommen werden. Was mir aus diesen Lebensmonaten meiner Tochter am meisten in Erinnerung geblieben ist?
Die Momente, an denen sie sich zum ersten Mal auf den Bauch und auf den Rücken gedreht hat. Ob ich Jahre später noch das exakte Datum weiß? Das tue ich, aber an dieser Stelle gebe ich gern zu, dass sie sich aufgeschrieben auf einem kleinen weißen Zettel in meinem Portemonnaie befinden. Nostalgie? Auf jeden Fall.
U6: Ein Termin für diese Untersuchung steht zwischen dem 10 und 12. Lebensmonat an. Größe, Gewicht und Kopfumfang werden erneut gemessen und dann stehen die Organe, das Nervensystem und die Motorik im Fokus. Kann das Kind schon allein sitzen oder zieht es sich in den Stand hoch? Momente, die begeistern, wenn sie plötzlich passieren. Worauf bei dieser Vorsorgeuntersuchung noch geachtet wird? Etwa auf die geistige und sprachliche Entwicklung sowie die Darm- und Blasentätigkeit und auch die Häufigkeit von Infektionen können hier Thema sein. Ganz gleich, wie lang die U6 dauert – die Gesundheit ist das Wichtigste.
U7: Fast ein Jahr ist seit der letzten Vorsorgeuntersuchung vergangen, denn die U7 steht erst wieder zwischen dem 21. bis 24 Lebensmonat an. Aus dem einstigen Baby ist ein Kleinkind geworden. Was ist geblieben? In der Untersuchungsroutine die Kontrolle von Organen, der Motorik und des Nervensystems. Wie mobil ist das Kind jetzt, kann es Treppen steigen?
Zahnpflege und Fluoridprophylaxe sind weitere wichtige Themen ebenso wie die Sprache und das Sprachverständnis des Kindes. Spricht es schon kurze Sätze? Was in dieser Zeit noch im Fokus stehen kann, ist das Schlafverhalten des Kindes: Schläft es nachts durch? Meine Antwort auf die Frage: Nein. Und ja, ich habe diese Nacht irgendwann schon ein bisschen herbeigesehnt. Mit etwas mehr als drei Jahren war es dann so weit: Ohne Unterbrechung haben drei Menschen endlich eine ganze Nacht durchgeschlafen.
U7-U9: Und weiter geht die Reise
U7a: Die U7a und findet zwischen dem 34. und 36. Lebensmonat statt. Das Kind ist also schon bis zu drei Jahre alt und geht meistens schon in die Kita. Die U7a wurde nachträglich eingeführt, denn der Zeitraum zwischen der U7 und der U8 betrug knapp zwei Jahre – eine zu große Zeitspanne, um wichtige Entwicklungsphasen unbeobachtet zu lassen.
Die Kontrolluntersuchung von Organen, der Motorik und des Nervensystems sind weiterhin fester Bestandteil des Ablaufs. Mögliche Zahn-, Mund- und Kieferanomalien rücken ins Zentrum der Betrachtung. Ebenso können Fragen zum sozialen und emotionalen Verhalten Teil des Vorsorgegesprächs sein. Und der Impfstatus? Bei diesem Check-up können Impfungen nachgeholt oder komplettiert werden.
Die Sprache und das Sprachverständnis werden noch einmal mehr untersucht: Kennt das Kind den eigenen Vor- und Nachnamen, spricht es von sich selbst in der Ich-Form und stellt es Warum- oder Wo-Fragen? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, die Warum-Fragen unserer Tochter haben unseren Familien- und Freundeskreis intensiv beschäftigt: Warum sind Schweine rosa, warum kann ich Sterne nicht anfassen, warum muss ich nachts schlafen?
U8: Zwischen dem 46. und 48. Lebensmonat steht die U8 an. Neben den bekannten Untersuchungen von Organen, der Motorik und des Nervensystems stehen für das Kind mit fast vier Jahren jetzt auch kleine praktische Tests an, die die vier Sinne betreffen: Sprechen, Sehen, Hören und motorische Geschicklichkeit. Konzentrationsaufgaben und ein Bild malen sind Teil dieser U-Untersuchung.
Während meine Älteste ein fast vollendetes Familienbild mit Weihnachtsbaum samt Schmuck malte, kreierte ihr kleiner Bruder bei seiner U8 mit zehn Strichen in fünf verschiedenen Farben eine abstrakte Wasser-und-Schaum-Löschmaschine, die auch in 10.073 Metern jeden Brand löschen kann und das mit nur einem einzigen Knopfdruck, wie er unserer Kinderärztin ausführlich erklärte. Lob gabs für beide Kinder, ebenso wie den Stempel im jeweiligen Gelben Heft.
U9: Die U9-Untersuchung erfolgt zwischen dem 60. und 64. Lebensmonat und das Kind ist nun fünf Jahre alt oder älter. Dieser Vorsorgeuntersuchung ist die letzte vor der Einschulung und alles dreht sich um die Schulfähigkeit. Neben der Sprache und dem Sprachverständnis, sind jetzt auch wieder das Bewegungsverhalten und die Motorik wichtig.
Alle Untersuchungen haben ein Ziel: Eventuelle Krankheiten und Fehlentwicklungen vor dem Schuleintritt zu erkennen und zu behandeln. Bei der U9 kam ich mir vor wie meine eigene Oma (eine tolle Frau): Ich ertappte mich dabei, mir in Gedanken dieselbe Frage zu stellen, die meine Oma mir früher bei jedem Wiedersehen gestellt hatte:
U10-U11: Prävention für Kinder von 7 bis 10 Jahren
U 10: Diese Untersuchung ist die erste zusätzliche Vorsorgeuntersuchung, und gilt für ein Kind im Alter von 7 bis 8 Jahren. Größe und Gewicht werden bestimmt und der Blutdruck wird gemessen. Im Mittelpunkt dieser U-Untersuchung: die motorische und soziale Entwicklung ebenso wie mögliche Entwicklungsstörungen – zum Beispiel eine Lese-, Rechtschreib- oder Rechenstörung.
In dieser U-Untersuchung fragte unsere Kinderärztin nach dem aufregenden Leben der Zweitklässlerin und erfuhr von ihr, dass Schule schon cool, aber Sachkunde nicht unbedingt nötig ist und die schönste Zeit des Tages sowieso die Pausen mit ihren Freunden und Freundinnen sind. Sie musste zudem einen 5-zeiligen Text lesen und einige Rechenaufgaben lösen. Ergebnis: Meine Tochter hätte jetzt gerne, dass ihre Kinderärztin ihre Lehrerin vertritt, wenn der Unterricht mal wieder ausfällt.
U11: Für ein Kind im Alter von 9 bis 10 Jahren ist dies die letzte U-Untersuchung. Dabei wird verstärkt auf eventuelle Störungen der schulischen Leistungen oder des Sozialverhaltens geachtet. Wie steht es um Bewegung und Sport?
Die U11 dient erneut dem Erkennen von Zahn-, Mund- und Kieferanomalien, alle erfordern schnelles Handeln. Was auch Thema ist: Fragen zur Mediennutzung des Kindes. Ab wann sollten Kinder Smartphones, Tablets oder Notebooks eigentlich nutzen dürfen und in welcher Dosierung? Als Eltern können wir dem Medienkonsum unserer Kinder präventiv begegnen.
Gut zu wissen!
Im Anschluss an U10 und U11 können präventiv die Jugendgesundheitsuntersuchungen J1 und J2 in Anspruch genommen werden. In Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sind die U-Untersuchungen bis zur U9 gesetzlich verpflichtend – in allen anderen Bundesländern besteht für alle Kinder ein gesetzlicher Anspruch auf diese Vorsorgeuntersuchungen. Fakt ist, sie sind ein wichtiger Bestandteil der kinderärztlichen Versorgung, damit unsere Kinder von Anfang an die bestmögliche medizinische Betreuung erhalten. Gesundheitsschutz ist eben keine Frage des Alters, sondern wichtig für die ganze Familie. Eine Weile wird mich der Rhythmus der U-Untersuchungen noch mit dem zweiten Kind begleiten. Und das ist auch gut so.