Gesunde Ernährung für Kinder: Mit Maß und Spaß
08.05.2024 • 10 Minuten Lesedauer
Eine gesunde Ernährung ist bei Kindern das A und O. Von kreativen Ansätzen und einem ausgewogenen Speiseplan.
Mein fast fünfjähriger Sohn hat seit drei Jahren eine Lieblingsfarbe: Grün. Alles muss grün sein – Shirts, Pullis, Hosen, Socken, Schuhe – einfach alles. Nähert sich ihm allerdings etwas Grünes auf Vitaminbasis hielt seine Liebe sich lange Zeit in Grenzen. Salat, Gurke, Spinat, Paprika, Äpfel, Weintrauben – nichts davon schaffte es auf seinen Teller. Und da Rot und Gelb es auch nicht auf seine Shortlist geschafft haben, schieden auch Lebensmittel aus diesem Farbspektrum kategorisch aus.
Das Gute: Süßes interessiert ihn einfach nicht. Ja, man könnte sagen, er war der Inbegriff von „Ich mag das nicht" oder, wie mein Sohn es erklärte: „Ich brauche das nicht.“ Und doch haben es Gemüse und Obst irgendwann auch auf seinen Speiseplan geschafft. Wie es gelingt, mit kreativen Ansätzen bedürfnisorientiert und mithilfe der Ernährungspyramide als Familie entspannt gemeinsam gesund zu essen?
Ein Rahmen für Bedürfnisse, Geschmack und Portionen: die Ernährungspyramide
Essen und Trinken mit Genuss und Spaß – und das auch noch gesund: Das ist mit Kindern im Alltag nicht immer einfach. Einen Rahmen für eine gesunde Ernährung bietet die Ernährungspyramide. Sie zeigt, wie eine ausgewogene Ernährung aussehen kann. Im bekannten Ampelsystem lässt sich bei der Ernährungspyramide auf sechs Ebenen leicht erkennen, welche Lebensmittel in welcher Menge auf dem täglichen Speiseplan stehen sollten. Anhand von Symbolen und ihrer farblichen Zuordnung wird angegeben, welche Lebensmittel für eine gesunde Ernährung in welchem Maß wichtig sind.
Der große Vorteil der Pyramide: Die aufgeführten Lebensmittel sind vielseitig und bedeuten keinen Verzicht. Um den Überblick zu behalten, teilt die Ernährungspyramide alle Lebensmittel in sieben Gruppen und Portionen ein:
- Gruppe 1: Kalorienarme Getränke – also in erster Linie Wasser. Ideal ist es, rund 1,5 Liter am Tag zu trinken bzw. sechs Gläser Wasser. Mit ungesüßten Früchte- oder Kräutertees lässt sich in Maßen Abwechslung schaffen. Saftschorlen finden Kinder toll, sie sollten aber mit viel Wasser und wenig Saft gemischt werden. Der optimale Mix besteht aus drei Teilen Wasser und einem Teil Saft. Schorlen sind jedoch keine Getränke, die in großem Maß zum Einsatz kommen sollten.
Der Grund: der hohe Fruchtzuckergehalt. Zudem bleibt die süße Erfrischung etwas Besonderes, wenn sie seltener auf den Tisch kommt.
- Gruppe 2: Gemüse, Salat und Obst – je bunter, desto besser. Drei Portionen Gemüse (gegart oder roh) plus zwei Portionen Obst bringen reichlich Nährstoffe auf den Teller. Alternativ kann eine Portion Obst auch durch Nüsse ersetzt werden. Zudem gehören Hülsenfrüchte – frisch oder getrocknet – wie zum Beispiel Erbsen, Linsen, Bohnen, Linsen, Kichererbsen, Sojabohnen, Lupinen, Erdnüsse zur zweiten Gruppe der Ernährungspyramide. Schon gewusst? Kein anderes Nahrungsmittel enthält so viel pflanzliches Eiweiß wie Hülsenfrüchte.
- Gruppe 3: Brot und Getreide (idealerweise Vollkorn) Kartoffeln, Reis und Nudeln als Beilagen – aber wie viel Portionen dürfen es am Tag sein? Vier Portionen versorgen uns mit Energie für den Tag. Nudeln sind vom Speiseplan unserer Kinder einfach nicht wegzudenken und nicht selten werden sie pur und ohne Soße gegessen.
Ein Phänomen, das – wie so vieles bei Kindern – als Phase gelassen gesehen werden kann. Auch mein Sohn hat lange ein soßenfreies Nudelleben geführt. Zugegeben, an so manchem Tag bin ich verzweifelt, aber gebetsmühlenartig Nudeltoppings anzupreisen war für mich keine Option. Wer hört und sagt schon gerne alles fünf Mal?! Die Strategie an unserem Tisch: Der Rest der Familie hat konsequent Nudeln mit Soße oder Pesto gegessen, dazu gab es so manche Soßengeschichte.
Ein Beispiel: Spinatsoße ist, wie könnte es anders sein, der absolute Favorit von Brachiosaurus Julius – wie sonst hätte er so groß und stark werden können. Zwischendurch flatterte auch mal ein Brief von Julius auf den Mittagstisch mit der Bitte, ihm etwas übrig zu lassen. Mein Sohn schloss den Dino ins Herz und bat uns, doch endlich mal etwas übrig zu lassen.
Um sicherzugehen, dass nicht die ganze Soße auf unseren Tellern landete, begann er, kleine Mengen auf seinem Teller zurückzuhalten, die sich zwangsläufig irgendwann mit seinen Nudeln vermischten und von ihm gegessen wurden. Durchhalten ist angesagt, denn wie so vieles im Leben ist auch das Essverhalten von Kindern ein Prozess.
- Gruppe 4 und 5: Milch und Milchprodukte – als Getränk im Glas oder in Form von Joghurt, Quark, Käse, Kefir oder Buttermilch liefern Eiweiß, B-Vitamine und Kalzium. Drei Portionen decken unseren Tagesbedarf ab. In der Ernährungspyramide sehen Sie die Angabe „3 + 1 Portionen“ bei dieser Ebene – denn Fleisch, Fisch und Eier zählen als fünfte Gruppe hier dazu. Die Empfehlung: Diese Produkte in Maßen zu genießen, zeigt auch die farbliche Abstufung. Sich gesund zu ernähren und bei Lebensmitteln das richtige Maß zu kennen, geht auch damit einher, dem jeweiligen Produkt mit Respekt zu begegnen.
Bei uns in der Familie betrifft das besonders Fleisch und Fisch. Es war uns wichtig, beiden Kindern dies von klein auf mitzugeben. Das bedeutet nicht, das jedes Wiener Würstchen und jede Scheibe Salami vor dem Essen genau thematisiert und analysiert wird. Im Gegenteil, es geht darum, das Bewusstsein für diese Nahrungsmittel zu schärfen.
- Gruppe 6: Fette und Öle (Butter, Sahne oder Schmand) – die Portionierung ist hier in Esslöffeln zu verstehen. Die Devise: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Tipp: Raps-, Walnuss-, Oliven- oder Leinöl enthalten wertvolle Fettsäuren und unter Brotaufstrichen, Frischkäse und ähnlichem kann auf die Schicht Butter oder Margarine definitiv verzichtet werden.
- Gruppe 7: Es sind die kleinen süßen oder auch salzigen Extras, die kleine und große Gesichter zum Strahlen bringen. Maximal eine Portion wird hier empfohlen. Während mein Sohn keinerlei Interesse an Süßigkeiten hegt und mir selbst damit jeden Tag versüßt – erfreut sich meine fast achtjährige Tochter durchaus daran.
Meine Frage „Hunger oder Appetit?“ wird nicht selten mit Augenrollen kommentiert, eine Antwort erledigt sich, wenn sie kopfschüttelnd zum Apfel greift. Für uns Erwachsene heißt es gleichzeitig „stark sein“, denn bei einem disziplinierten Umgang mit süßen und salzigen Snacks müssen wir als Vorbilder vorangehen. Ich gestehe: An so manchem Tag lässt die Disziplin nach, wenn die Kinder schlafen und ich den Tag mit einem Glas Rotwein in Kombination mit dunkler Schokolade ausklingen lasse.
Wie viel ist eine Portion?
Das Maß für eine Portion kann die eigene Hand sein. Deswegen gilt: „Kleine Kinder, kleine Hände – große Kinder, große Hände.“ Auf diese Weise wachsen nicht nur die Portionen mit zunehmendem Alter in der richtigen Menge, sondern auch das Bewusstsein für eine maßvolle, gesunde und ausgewogene Ernährung.
Auch in meiner Familie ist die Ernährungspyramide eine Orientierungshilfe, nur dass sie aufgrund der farblichen Abneigung meines Sohnes nicht in den Farben grün, gelb und rot bekannt ist, sondern kreativ umgestaltet an unserem Kühlschrank in den Farben orange, pink und blau erstrahlt. Denn sein wir ehrlich: Ganz ohne Kreativität geht es bei gesunder Ernährung für Kinder nicht.
Unser Tipp: Rezept-Ideen für die ganze Familie
Mehr erfahrenKindgerechte Ernährung versus Kinderlebensmittel
Quetschies, Milchprodukte mit Schokoperlen, Frühstückscerealien, Brotaufstriche oder Wurst mit Ohren und Gesicht – inwieweit gehören kindgerechte Ernährung und Lebensmittel, die speziell für Kinder produziert werden, zusammen? Die Antwort: Nicht alles auf dem "Für Kinder" steht ist auch ideal für Kinder. Na klar, den Quetschie hatten auch meine Kinder und beim Versuch, wiederverwertbare Quetschbeutel selbst zu befüllen, sind wir schon nach kurzer Zeit grandios gescheitert.
Dennoch: Ein Versuch war es wert und viele andere Versuche folgten – ganz gleich, ob mit püriertem Obst, das gefroren am wiederverwendbaren Stiel im Tiefkühlfach schon nach kurzer Zeit seinen Reiz verlor oder den selbst gebackenen zuckerfreien Dinkelkeksen, nach denen wir nun eine Vorstellung davon haben, wie ein Pappkarton schmecken muss. Und doch ist es möglich, zumindest für eine Weile speziellen Kinderlebensmitteln aus dem Weg zu gehen:
- Haferflocken, zuckerfreie Cornflakes und Vollkornbrot statt Frühstückscerealien mit Schokolade. Schon gewusst? Frühstückscerealien sind oft mit Zucker, Glukosesirup, Palmöl, Aromen, Säureregulatoren, Vitaminen und Mineralstoffen angereichert. In Kombination mit Nugat oder Schokolade steigt auch der Fettanteil. Mit einer Portion von 50 Gramm zum Frühstück wird dann bereits ein Großteil der Tagesration an Fett und Zucker aufgenommen, klärt die Verbraucherzentrale auf.
- Joghurt mit frischem Obst statt Pudding, Quark und fertigem Fruchtjoghurt. Schon gewusst: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll unsere Zuckermenge pro Tag weniger als 10 Prozent der täglichen Energie liefern, heißt konkret circa 50 bis 60 Gramm für Erwachsene und maximal 30 Gramm für ein vier- bis sechsjähriges Kind.
Das Ergebnis des Fruchtjoghurt-Marktchecks der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Jahr 2022 zeigt: In 50 Gramm Fruchtjoghurt verstecken sich bis zu 1,73 Stück Würfelzucker pro Becher, bei 100 bis 125 Gramm steigt der Würfelzuckerverzehr pro Becher von 3,33 auf 4,5 Stück und bei Bechern mit 150 Gramm Fruchtjoghurt schwankt der Wert je nach Hersteller zwischen 4,5 und 6,9 Stück Würfelzucker.
- Einmal pro Woche qualitativ hochwertiges Fleisch statt Mini-Würstchen und Aufschnitt mit Bärchenohren und Clownsgesicht. Fakt ist: In der Regel sind die Produkte nicht kindergerechter als das frische Wiener Würstchen vom heimischen Metzgerund sie sind häufig teurer.
- Süßes bleibt Süßes – auch wenn auf der Verpackung der Hinweis auf Vitamine oder Vollkorn prangt. Tipp: Klare Regeln können helfen ebenso wie vereinbarte Portionen, um Eltern und Kinder gleichermaßen zufriedenzustellen. Mit zunehmendem Alter verhandelt meine Tochter diese Regeln immer mal neu, was nachvollziehbar und in Ordnung ist, solange wir alle mit der Regel gut leben können. Während Süßes unter der Woche zu Hause nur eingeschränkt zur Verfügung steht – hat sie für das Wochenende eine Portion verhandelt, die sie sich frei einteilen kann.
- Wasser statt Limonade oder fertiggemixte Fruchtsaftgetränke. „Durch den häufigen Verzehr süßer Getränke bleibt die Reizschwelle für Süßes sehr hoch, schwach gesüßte Getränke werden von Kindern daraufhin häufiger abgelehnt“, erklärt die Verbraucherzentrale.
Alle Eltern wissen, der Einkauf im Supermarkt oder zu Hause beim Familienessen kann zur echten Zitterpartie werden und nicht immer erlaubt die eigene Tagesform, das durchzusetzen, von dem wir wissen, dass es richtig ist. Stress bei der Arbeit, in der Schule, bei den Betreuungszeiten der Kita – wer schafft es da immer beim Nein zu bleiben? Ich schaffe es nicht. Aber solange Ausnahmen nicht zur Regel werden, kann ich das mit meinem Gewissen gut vereinbaren und auch meine Kinder wissen es zu schätzen, wenn mal ein Auge zugedrückt wird.
Tipps für ein entspanntes Familienessen
„Och nö, das mag ich nicht“ – ein Satz, der meinen Puls noch während des Kochens schon einige Male in die Höhe getrieben hat. Ja, es ist frustrierend und es nervt – ist doch jede Mahlzeit mit Aufwand verbunden. Erst macht man sich Gedanken darüber, was man kochen könnte, und dann muss das jeweilige Gericht ja auch noch zubereitet werden. Wird dann auch noch im Essen herumgestochert, war‘s das mit dem entspannten Familienessen. Wie Sie die Chancen auf ein entspanntes Familienessen erhöhen können:
- Gemeinsam entscheiden: Setzen Sie sich am Wochenende als Familie zusammen und besprechen Sie gemeinsam, was in der kommenden Woche gekocht werden soll. Den einen hilft es, einen festen Essensplan zu erstellen, um konkret zu wissen, was an welchem Tag gekocht wird – andere schränkt ein fester Plan zu sehr ein, an dem festgelegt wird, dass Erbsen und Co. montags gegessen werden.
- Gemeinsam vorbereiten und kochen: Als Familie zusammen einkaufen zu gehen, lässt sich im Alltag nicht immer realisieren. Und dennoch sollten Sie es versuchen und wenn es nicht in der ganz großen Runde gelingt, dann vielleicht im Zweierteam mit dem Nachwuchs.
Es schult den Blick für die Auswahl von Obst und Gemüse – auf dem Markt wird vielleicht mal ein eher unbekanntes Gemüse gesichtet oder Obst probiert, das bisher unter dem Vitaminradar gewandert ist. Gleichzeitig verbringt man Zeit miteinander, tauscht sich aus, erfährt etwas vom Tag des anderen. Beim gemeinsamen Kochen kann die Quality time dann weiter gehen und mehr noch: Sind Kinder so früh wie möglich beim Kochen eingebunden, wissen sie auch über Zubereitungsarten, Abläufe und den Aufwand Bescheid. Meine Kinder sagen: Was sie selbst gekocht haben, schmeckt am besten.
- Gemeinsam essen: Es stimmt, Essen und gemeinsame Mahlzeiten verbinden und es soll Genuss sein und Spaß machen. Rituale und die Regel, dass gemeinsam am Tisch gegessen wird, helfen, ein beständiges Umfeld für die gemeinsamen Mahlzeiten zu schaffen. Spielsachen, Handys oder Fernseher sind unnötige Ablenkungen – schließlich soll mit allen Sinnen genossen werden.
Dazu gehört auch, wenn die Kinder noch klein sind, dass kleckern und mit den Fingern zu essen erlaubt sein sollte. Es kommt der Zeitpunkt, da sind Löffel und Gabel so spannend, dass sie von allein eingefordert werden.
Die vielen Infos und Tipps haben sie zum Nachdenken und auf den Geschmack gebracht? Nehmen Sie sich nicht alles auf einmal vor. Schauen Sie den Artikel doch noch einmal durch und schreiben Sie sich ein bis drei Dinge auf, die Sie in den nächsten zwei Wochen ausprobieren wollen.