Plötzlich alles neu: Beziehungstipps für Eltern
25.07.2024 • 8 Minuten Lesedauer
Mit einem Kind ändert sich alles. Doch mithilfe von Kommunikation, Selbstfürsorge und Zeitmanagement können Eltern ihre Beziehung pflegen.
„Mit einem Kind ändert sich alles!“ Diesen Satz hören werdende Eltern häufig von erfahrenen Müttern und Vätern. Während sich viele akribisch auf die Geburt und die erste gemeinsame Zeit vorbereiten, bleibt die Vorstellung davon, wie ein Leben mit einem Kind langfristig aussieht, häufig vage. Aber eine wichtige Erkenntnis für frischgebackene Eltern ist: Im Leben mit Kind ist vieles nicht planbar.
Eltern zu werden bedeutet unter anderem, eine neue Identität zu entwickeln. Was uns bisher ausgemacht hat – ob Job, Hobby oder Ehrenamt –, kennen wir, ebenso unsere Charaktereigenschaften. Das gilt für uns selbst wie für den Partner oder die Partnerin. Kommt ein kleiner Mensch ins Spiel, werden gelernte Rollen und Abläufe durcheinandergewirbelt.
Die Theorie: Hilfreiche Überlegungen vorab
Zwischen Ratgebern, Geburtsvorbereitungskurs und Kinderwagenkauf mag kaum Zeit sein. Doch auch Gedanken über den künftigen Alltag sind bereits jetzt sinnvoll: Sprechen Sie über Ihre Vorstellungen und Wünsche für Ihr neues Familienleben. Wie möchten Sie sich Ihre Verantwortung untereinander aufteilen? Wie kann ein Netzwerk zur Kinderbetreuung aussehen? Wer kann Ihnen welche Dinge abnehmen, um Sie im Alltag zu unterstützen? Sie müssen keinesfalls alles allein schaffen. Gut zu wissen: Hilfe kann auch die Partnerschaft schützen und dafür sorgen, dass Sie beide Ihre eigene Belastungsgrenze nicht dauerhaft überschreiten.
Die Praxis: Beziehung neu sortieren
Schon bald beginnt das Hamsterrad zu laufen. Schlafrituale, bergeweise Wäsche und noch mehr Haushalt, Job – wenn aus zwei Erwachsenen eine Familie wird, sind Herausforderungen vorprogrammiert. Tröstlich ist, dass es allen so geht. Im partnerschaftlichen Miteinander empfiehlt es sich, zum Start den Druck rauszunehmen. Niemand muss direkt nach dem Wochenbett frisch geduscht und pünktlich beim Candle-Light-Dinner sitzen. Vielleicht beschränkt sich der Austausch vorerst auf Wortfetzen, vielleicht schlafen beide immer öfter erschöpft vor dem Fernseher ein. Oder es läuft ganz anders. Jede Familie funktioniert nach eigenen Regeln und alle Mitglieder haben verschiedene Bedürfnisse. Wichtig dabei: Suchen Sie sich Ihren Raum dafür, miteinander über Ihre Bedürfnisse zu sprechen.
Wie wollen wir als Eltern unsere Paarbeziehung weiterleben? Diese Frage lässt sich nur gemeinsam beantworten. Kommunikation ist daher der wichtigste Grundstein für eine harmonische Paarbeziehung. Oft fehlt im Alltag genau dafür allerdings die Zeit. Wie es gelingt, dafür regelmäßig eine Ausgangssituation zu schaffen:
- Wann passt es Ihnen? Besprechen Sie, wie regelmäßig Sie sich zusammensetzen möchten. Dann legen Sie eine Uhrzeit fest. Tragen Sie den Termin in Ihre Kalender ein, damit er nicht in Vergessenheit gerät.
- Was liegt an? Es kann sich lohnen, Themen vorab in eine Notiz auf dem Smartphone oder einen Zettel zu schreiben. Sortieren Sie verschiedene Themen zu Themenblöcken, etwa: „Einkaufsliste“, „Termine“, „Kind und „Wir“. Dann können Sie Aufgaben verteilen, vielleicht sogar etwas Bestimmtes schon gemeinsam online bestellen, sich über Ihr Kind austauschen und ganz wichtig: auch über Ihre Beziehung selbst sprechen: Was beschäftigt Sie? Was stört Sie? Oder: Was steht auf der Arbeit an?
- Wie lauten die Spielregeln? Während Ihres Gesprächs sollten Sie darauf achten, nicht nur zu reden, sondern auch zuzuhören. Lassen Sie sich gegenseitig aussprechen und fragen Sie nach Wünschen und Erwartungen. Auch wenn Sie mal nicht einer Meinung sind, diskutieren Sie angemessen miteinander. Sie wollen mehr über eine gelingende Kommunikation in der Partnerschaft erfahren? Hier geht’s lang.
Pause: Was wir für uns tun, tun wir auch für andere
Gute und wertschätzende Kommunikation ist wichtig, löst aber nicht alle Probleme automatisch. Wenn der eigene Akku auf Reserve läuft, kann man anderen zunehmend weniger gerecht werden. Lösung Nummer eins: Erarbeiten Sie Wege, auf denen sich alle erholen können. Nummer zwei: Behalten Sie sich selbst im Fokus. Werden auch die Anliegen Einzelner gesehen, ist ein harmonisches Familienleben möglich.
Die Herausforderung dabei: Vielen fällt es schwer, sich Freiräume zu schaffen, während pausenlos Arbeit wartet. Das schlechte Gewissen meldet sich, wenn es scheint, als bliebe die Partnerin oder den Partner mit der Verantwortung allein. Wir verraten Ihnen, warum es trotzdem wichtig ist, sich zurückziehen zu können:
- Vorbildfunktion für die Kinder: Kinder lernen durch uns. Nehmen wir uns Zeit für uns, zeigen wir unseren Kindern, wie wichtig Selbstfürsorge ist.
- Verbesserte Beziehungen: Ob es um die Partnerschaft, das Familienleben oder Freundschaften geht: Wer dauerhaft unter Strom steht, kann keine guten Beziehungen führen. Entspannung ist wichtig, um das Konfliktpotenzial zu reduzieren – und hat demnach Vorteile für alle.
- Mama, Papa – ich? Elternschaft prägt uns enorm. Gerade in den ersten Jahren dreht sich die Welt komplett um die Kinder. So genannte „Me-Time“ hilft uns, neu zu erkennen, wer wir sind oder wer wir gern sein möchten – neben der Elternrolle.
Vielen Familien helfen auch regelmäßige Termine. Er geht dienstags zum Sport, sie ist donnerstags mit Freunden unterwegs, am Wochenende schläft sie am Samstag und er am Sonntag aus: So sind wöchentliche Auszeiten fest eingeplant. Für jede Familie funktionieren unterschiedliche Modelle.
Planung: Gutes Gelingen
Ein gutes Zeitmanagement kann eine weitere wichtige Stütze für eine harmonische Beziehung sein. Leichter gesagt als getan mit Kindern – aber mit ein paar Tricks fällt es leichter, sich besser zu organisieren:
- Digitale Hilfe nutzen: Geteilte Kalender, Einkaufs- oder To-do-Listen und vieles mehr lässt sich per Smartphone erledigen. So kann digital und gemeinsam organisiert werden, was ansonsten Kraft und knappe gemeinsame Zeit kostet.
- Ein „Dorf“ aufbauen: Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen – kein neuer Spruch, aber viel Wahres dran. Familienmitglieder, Babysitter, Reinigungskräfte, Hundesitter, Kita-Bekanntschaften und viele weitere helfende Hände können zum Dorf gehören. Scheuen Sie sich nicht, Hilfe anzunehmen, fragen Sie aktiv nach und entlasten Sie sich gegenseitig: Wie es Ihnen geht, geht es so vielen anderen Familien auch.
- Die produktiven 15 Minuten einführen: aufräumen, wegräumen – und wieder von vorn. Ein kleines Ritual mit großem Effekt ist das „15-Minuten-Power-Aufräumen“ am Abend: Wenn die Kinder schlafen, wird der Timer auf 15 Minuten gestellt und in dieser Zeit werden so viele kleine (Haushalts-)Aufgaben wie möglich erledigt. Oft lässt sich in dieser produktiven Zeit viel mehr erledigen als gedacht. Und je nach Alter der Kinder kann dies auch gemeinsam erledigt werden.
- Zeitpolster einplanen: Mit Kindern dauert das meiste länger. Also ab jetzt für alles doppelt so viel Zeit einkalkulieren. Das Plus an Zeit sorgt für ein Minus an Stress – etwa, wenn plötzlich Kindertränen getrocknet werden wollen. Und falls alles glatt läuft, bleibt noch Zeit übrig - Ein wertvolles Geschenk.
Zweisamkeit: Liebe, Nähe und Intimität
Organisation, Hilfe und Kommunikation – klingt nach Arbeit. Aber wo bleibt die Liebe? Essenziell, um ein liebendes Paar zu bleiben, sind Nähe, Intimität und Zuneigung. Wie und wie viel davon, entscheiden allein Sie beide. Und das nicht nur einmal am Anfang Ihres Familienlebens: Je nachdem, in welcher Phase Sie sich mit Ihren Kindern befinden, werden Sie unterschiedliche Wege finden.
Wichtig: Intimität kann vieles bedeuten, etwa eine Umarmung oder eine kleine, liebevolle Geste im Alltag. Sprechen Sie beim Thema Sexualität über Ihre Wünsche und Bedürfnisse, denn so können Sie Konflikte und Frust vermeiden. Gerade für dieses Thema sollten Sie sich ausreichend Zeit und Ruhe nehmen und einander zuhören.
Seien Sie sich bewusst: Als Eltern sitzen Sie mit vielen anderen in einem Boot. Holen Sie sich Tipps und tauschen Sie sich miteinander aus. Auch professionelle Angebote können helfen: neben psychologischer Beratung zum Beispiel hauswirtschaftliche Hilfe oder Eltern-Kind-Kuren. Folgende Beratungsmöglichkeiten sind kostenfrei:
- Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bietet viele verschiedene Angebote für Familien an: BMFSFJ
- Auch die Caritas bietet kostenlose Online- und Vor-Ort-Beratung an: Caritas
- Auf den Internetseiten der verschiedenen Bundesländer findet Sie viele verschiedene Angebote.
- Tauschen Sie sich auch analog aus. Häufig kommen die besten Tipps auch einfach von anderen Familien aus dem direkten Umfeld.
Der kostenfreie Online-ElternCoach unterstützt Sie in alltäglichen Konfliktsituationen mit Kindern: Online-ElternCoach | KKH