Interview: Gemeinsame Zukunft und langfristige Partnerschaft - Expertin de Vries im Gespräch

Warum ist es wichtig, gemeinsame Werte und Lebensziele in einer Beziehung zu definieren?

Frau de Vries: Werte sind unser innerer Kompass – sie geben Orientierung, Stabilität und helfen, stimmige Entscheidungen zu treffen. In einer Partnerschaft schaffen geteilte Werte ein Fundament, auf dem langfristiges Vertrauen und Verbundenheit wachsen können. Wenn dieses Fundament fehlt, ist die Gefahr groß, dass sich das Paar im Alltag – und bei größeren Lebensentscheidungen – immer wieder in unterschiedliche Richtungen bewegt. Geteilte Werte bedeuten nicht Gleichförmigkeit, aber sie eröffnen einen Raum für Verständnis, Respekt und gemeinsame Entwicklung.

Wie sollten Paare mit unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen umgehen?

Frau de Vries: Der Schlüssel liegt in echter, transparenter Kommunikation – nicht nur im Austausch von Fakten, sondern im Verstehen der dahinterliegenden Bedürfnisse. Was steht wirklich hinter dem Wunsch, auszuwandern, Kinder zu bekommen oder ein Haus zu bauen? Wenn Paare die emotionalen Beweggründe hinter den Vorstellungen erkennen, wird aus einem potenziellen Konflikt oft ein Zugang zu mehr Verständnis und Nähe. Es geht darum, einander zuzuhören – nicht mit dem Ziel zu überzeugen, sondern zu verstehen. Und daraus lassen sich dann tragfähige, gemeinsame Lösungen entwickeln.

Was sind die häufigsten Herausforderungen bei der langfristigen Lebensplanung als Paar?

Frau de Vries: Ganz klar: Familienplanung, Karriereentwicklung und finanzielle Fragen. Diese drei Bereiche sind eng miteinander verflochten – und berühren oft zentrale Lebensthemen wie Selbstverwirklichung, Sicherheit und Zugehörigkeit. Auch Fragen wie „Wo wollen wir leben?“ oder „Wie definieren wir Erfolg?“ führen regelmäßig zu Spannungen, wenn sie nicht offen besprochen werden. Langfristige Lebensplanung bedeutet deshalb auch immer: in Verbindung bleiben, Spielräume schaffen und regelmäßig prüfen, ob beide sich noch im gemeinsamen Lebensentwurf wiederfinden.

Welche Rolle spielen Karriereentscheidungen für eine Partnerschaft?

Frau de Vries: Eine sehr große – denn Karriere beeinflusst unseren Alltag, unsere Zeitressourcen und oft auch unsere Identität. Wenn ein Partner viel Zeit in den Beruf investiert, braucht es ein bewusstes Miteinander, um Balance zu schaffen und sich nicht aus den Augen zu verlieren. Es geht nicht darum, alles gemeinsam zu machen, sondern sich gegenseitig in der individuellen Entwicklung zu unterstützen – und gleichzeitig den Blick für das „Wir“ zu bewahren. Gemeinsame Visionen, auch für die Lebensgestaltung abseits der Arbeit, helfen dabei enorm.

Wie kann ein Paar einen guten Mittelweg finden, wenn die Lebenspläne beider Partner nicht übereinstimmen?

Frau de Vries: Der erste Schritt ist: verstehen, warum der andere etwas möchte. Wenn ich die dahinterliegenden Werte kenne – zum Beispiel Freiheit, Sicherheit, Abenteuer oder Zugehörigkeit –, kann ich beginnen, gemeinsame Schnittmengen zu entdecken. Es geht nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um das tieferliegende Bedürfnis, das auf unterschiedliche Weise erfüllt werden kann. So entstehen kreative Lösungen, mit denen sich beide wohlfühlen – auch wenn die Lebensentwürfe zunächst konträr erscheinen.

Welche Bedeutung hat Flexibilität für eine gesunde Beziehungsentwicklung?

Frau de Vries: Flexibilität ist elementar – gerade in einer Zeit, in der sich Lebensumstände ständig verändern. Eine gesunde Beziehung zeichnet sich dadurch aus, dass sie Beweglichkeit erlaubt, ohne dass dabei Sicherheit oder Identität verloren gehen. Wir dürfen uns immer wieder neu entscheiden: für uns selbst, für den anderen, für unsere Verbindung. Diese innere Haltung – gepaart mit Offenheit und Vertrauen – macht es möglich, auch Unerwartetem gemeinsam zu begegnen und daran zu wachsen.

Wie wichtig ist finanzielle Planung für eine stabile Partnerschaft?

Frau de Vries: Sehr wichtig. Geld ist ein sensibles Thema – oft auch ein Tabu. Dabei beeinflusst die finanzielle Situation häufig maßgeblich das Sicherheitsgefühl in einer Beziehung. Unterschiedliche Einstellungen zum Geld – Sparsamkeit, Konsumverhalten oder Umgang mit Schulden – können schnell zu Spannungen führen, wenn sie nicht frühzeitig geklärt werden. Deshalb empfehle ich: sprecht offen über Geld. Wer gemeinsam plant, Prioritäten setzt und klare Absprachen trifft, schafft nicht nur Stabilität, sondern auch Vertrauen.

Welche Techniken helfen Paaren dabei, regelmäßig über ihre gemeinsamen Ziele zu sprechen?

Frau de Vries: Ich arbeite sehr gern mit sogenannten Zukunftsgesprächen. Dabei geht es um Fragen wie: „Was bedeutet für mich ein erfülltes Leben?“ oder „Was wünschen wir uns als Paar für die nächsten Jahre?“ Auch Vision Boards sind ein wunderbares Werkzeug: Sie helfen, Wünsche zu visualisieren und gemeinsame Ziele greifbar zu machen. Ergänzend empfehle ich regelmäßig eingeplante Beziehungskonferenzen. Das kann ein gemeinsames Wochenende oder ein schöner Abend zu zweit sein – Hauptsache, der Raum ist bewusst und ungestört. Solche Rituale stärken die Verbindung und helfen, frühzeitig zu erkennen, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät.

Wie kann ein Paar mit unerwarteten Veränderungen – etwa Jobverlust oder Krankheit – umgehen?

Frau de Vries: Krisen sind ein Prüfstein für jede Beziehung – und gleichzeitig eine große Chance für echtes Wachstum. Entscheidend ist, dass man in schwierigen Zeiten nicht gegeneinander, sondern miteinander kämpft. Offene Gespräche, emotionale Präsenz und gegenseitiger Rückhalt sind jetzt essenziell. Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden, anstatt sich in Vorwürfen oder Schuldzuweisungen zu verlieren. Resilienz entsteht durch Verbindung, nicht durch Perfektion.

Warum haben manche Menschen Angst vor langfristiger Bindung – und wie kann man damit umgehen?

Frau de Vries: Hinter Bindungsängsten steckt oft die Furcht, sich selbst zu verlieren – oder verletzt zu werden. Diese Ängste wurzeln meist in früheren Erfahrungen, in alten Beziehungsmustern oder Prägungen aus der Kindheit. Wer schon einmal erlebt hat, wie schmerzhaft Nähe sein kann, schützt sich, indem er sie vermeidet. Der Weg heraus führt über Achtsamkeit und Selbsterkenntnis. Wenn es gelingt, sich dem Partner mit diesen Ängsten zu zeigen, entsteht ein Raum, in dem Nähe nicht mehr Bedrohung, sondern Heilung sein darf. Für viele ist das der Beginn echter Intimität.

Redaktion: Das waren alle Fragen. Vielen Dank, Frau de Vries, für diese spannenden Eindrücke! 

Frau de Vries: Ich danke Ihnen. Es erfüllt mich sehr, Menschen auf ihrem Weg zu einer bewussten, lebendigen Partnerschaft begleiten zu dürfen.